Dienstag, 11. November 2008

Aus dem Leben eines Taugenichts

Liebes Tagebuch. Heute habe ich wieder mal meine Bankroll halbiert.

Ich kann überhaupt nicht mehr mit den Situationen umgehen. Ich verliere gegen Draws, Overcards, middle pairs und was es nicht alles so gibt in einem fortlaufenden nie endenden Strahl von Pech.

Hinzu kommt, dass mich jedes nicht gut laufende Element sofort on tilt bringt. Ich werde wütend, schlage sachen zusammen, rege mich auf. Ich schätze, dass atm rund 30% meiner Losses auf Tilt zurückzuführen sind.

Quit Poker? Es sieht ganz danach aus.

Vor ein paar Wochen noch dachte ich, dass mich Poker zu einem besseren Mensch gemacht hat. Das Spiel hat mir klares Denken gelehrt und gleichzeitig bin ich vom abstrusen Freak zu einem gesellschaftsfähigen Mittelschichtsschüler geworden. Poker verlieh mir dabei die nötige Freiheit und Selbstbestätigung, um meine Ziele zu erreichen.

Doch alles sollte anders kommen. Ich dachte schon, dass nahezu all mein Geld verlieren das schlimmste sei was passieren konnte. Doch wieder einmal meinte es das Leben anders. Parallel zu meinen ständigen beats online kassierte ich auch im RL nur noch bad beats, von körperlichen Sachen wie Krankheit, Blackouts und Verlust meiner Sportfähigkeiten über Gesellschaftliches mitunter Abgrenzung von der Familie, vermehrte Ausgrenzung und ein Wegreissen von Zielen, für die ich so viel und so lange gearbeitet habe bis hin zu seelischen Sachen wie Depressionen und sogar Suizidgedanken.

Es fällt mir nicht leicht, dies niederzuschreiben und es mir damit selbst einzugestehen, aber doch ist es irgendwo eine Erleichterung. Ich bin mir bewusst, dass jeder einmal solche Probleme hat, aber im Moment, in dem es einen selbst trifft, fühlt man sich, als wäre man der einzige alleinige Pechvogel dieser Erde und es gibt nichts, was dies besser machen kann.

Es bleibt, einzusehen, dass die Welt nun mal unfair ist und dass man sich schlussendlich nur auf sich selbst verlassen kann, wenn es darum geht, sich vor sich selbst zu schützen.

cheers

10 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Irgendwas stimmt nicht, habe ichs doch gedacht. (auch wenn's klugscheisserisch tönt :-P) Sehr emotionaler Bericht. Toi, toi, toi für die Bewältigung der momentanen psychischen Baisse. Du hast am Schluss gesagt: "Es bleibt, einzusehen, dass die Welt nun mal unfair ist und dass man sich schlussendlich nur auf sich selbst verlassen kann, wenn es darum geht, sich vor sich selbst zu schützen." Ja, die Welt ist manchmal unfair, ist nun mal so. Ich denke es ist eher, der 1. Schritt, den man selber machen muss, zu dem man auch bereit sein muss und der schlussendlich von einem selbst kommen muss, als das "nur auf sich selbst verlassen", denn ich glaube, dass du einige Inputs für Pause/Aufhören (zumindest zwischenzeitlich) von Kollegen bekommen hast.
Um zu schliessen bleibt zu sagen: keep on!!!

Anonym hat gesagt…

hi talentdino
ich habe noch nie einen comment geschrieben, aber verfolge den blog schon ne zeit lang. du hast in diesem post einige gefühle/gedanken ziemlich gut zu wort gebracht, die auch in meinem kopf rumschwirren. finde es echt mutig dies so öffentlich zu machen! hut ab! hoffe dass es nur eine phase ist!
zu den poker problemen kann ich dir nur sagen was mir in solchen situationen hilft. schallt ein par tage ab. mach was anderes. beschäfftige dich mit deinem rl! wenn du dich wieder fit fühlst, geh in ein casino oder an ein live tourney. und du wirst einsehen warum du poker spielst, und immer gewinnen wirst! einfach nur zuhören ;)
wie gesagt, dass hilft mir extrem nach einem down, und gibt mir neues selbstvertrauen!
zum schluss noch:
1. you're not alone!
2. der upswing kommt!!
mfg tim

Schpacko hat gesagt…

Wow. Tough shit. Da hab' ich eigentlich nur 2 Dinge zu sagen:

1. Hör in Gottes Namen auf mit dem Scheiss-Poker.
Ganz offensichtlich kriegst du das nicht gebacken. Wenn ich deine Posts so lese, hab' ich nicht den Eindruck, als würde dir Poker noch in irgend einer Form Spass machen.
Obwohl es eine unglaubliche Qual für dich zu sein scheint, spielst du völlig verbissen weiter.
Das ist Junkie-Verhalten wie es im Buche steht.

Glaub mir eins: es gibt ein Leben nach Poker. Ich spiele inzwischen nur noch äusserst selten mit Kollegen, weil ich einfach keinen Bock mehr habe. Wenn du dann diese ganze Szene von aussen betrachtest, ist sie eigentlich nur noch eins: unglaublich nerdig.
Poker macht Nerds nicht cool, es macht aus Nerds einfach Nerds mit Geld. Und sogar das trifft nur auf einen verschwindend kleinen Teil zu.


2. Hol dir professionelle Hilfe.
Das meine ich nicht ironisch oder böse.
Das ist im übrigen auch nichts, wofür man sich schämen muss. Es schämt sich ja auch niemand, der wegen einem scheiss Beinbruch zum Arzt geht.


Gruss & alles Gute
Märchy

armi94 hat gesagt…

Tja ich weiss nicht recht was schreiben. Ich könnte jetzt einiges an Klugscheissereien ablassen, da ich dir ein paar mal gesagt habe von wegen Pause machen etc. Aber schlussendlich bist du ein erwachsener Mensch und musst Entscheidungen treffen. Du hast dich entschieden weiterzugrinden. Trotz Bemühungen deines gesamten Kollegenkreises dich davon abzubringen. Ich finde es schade, dass es so rausgekommen ist, aber Hilfe wurde dir schon auch angeboten. Ich habs dir schon gesagt; du hast grösseres Real Life Potential als mit online Poker. Ich wünsch dir viel Glück, wie du dich auch entscheidest.

Ansonsten kann ich meinen Vorpostern nur zustimmen. Wir sind da, du musst halt schlussendlich auch auf uns zukommen, das RL kommt nicht zu dir, du musst aktiv teilnehmen. Ansonsten bist du niemals genug ausgeglichen um erfolgreich zu Pokern.

Deine Real Life Beats tun mir leid, aber es wird ganz bestimmt aufwärts gehen!

Und noch was:
Definiere dich nie über Poker, das ist das schlimmste was du machen kannst. Suche Erfolgserlebnisse im richtigen Leben, konstante Faktoren, auf die du vertrauen kannst.

gl

Yannic Miller hat gesagt…

@ lars: du hast recht, ihr wart es, die mir geraten haben, immer wieder Pausen zu machen, sonst wäre das Geld wohl noch schneller weg gewesen.

@ tim: danke vielmals. sollte ich mich dazu entscheiden, weiter zu pokern werde ich deinen ratschlag sicher zu herzen nehmen. jetzt ist erst mal pause angesagt =)

@ märchy: 1. yo, ich kriegs obviously nicht gebacken, das habe ich inzwischen auch eingesehen. 2. die anderen sachen sind und bleiben völlig unabhängig vom poker, aber ergänzen sich trotzdem irgendwo. "i bin halt mit der gesamtsituation unzufrieden". zu nem psychologen wollte ich sowieso schon lange mal.

@ armi: ich bin sehr dankbar für was ihr getan habt, es hat mich dazu gebracht, immer wieder pausen einzulegen und immer konservativer zu werden. ob ich nun morgen oder in einer woche weiterspiele ist der varianz eigentlich egal, dachte ich jedenfalls. aber man lernt halt meistens nur durch schmerz. so habt ihr mir zumindest etwas fürs leben beigebracht =) thx

Anonym hat gesagt…

gut das du dir das alles mal aufgeschrieben hast, kann mir vorstellen wie enorm das helfen/befreien kann.
das du von pokern ne pause brauchst ist offensichtlich, und ich wünsche dir alles gute den rest deiner probleme auserhalb von pokern zu meistern.
falls du dich wieder fürs pokern entscheiden wirst, dann komm doch im winter dann mal ne woche in unser pokercamp ;), wir könnten uns dann sicher über einiges unterhalten und ich bin mir sicher, das ich dir einige wervolle tips bezgl moneymanagment, bankrollmanagment, tiltresistenz und einstellung zum ganzen mitgeben könnte. Habe ähnliches wie du durchgemacht und mittlerweilen bin ich wohl einer der nervenstärksten menschen auf diesem planeten. Es braucht einiges, das wichtigste sind erfahrungen, auch negative.
Es hat auf jedenfall aber auch negative seiten. Wenn man absolut emotionslos pokern kann, was meiner meinung nach längerfristig notwendig ist um erfolgreich pokern zu können, dann tötet es auch allg. einen teil der emotionalen seite ab. Und man wird allgemeint sehr rationalistisch bzgl. vielen dingen im leben, bei denen man evtl bisschen mehr einfühlungsvermögen haben sollte ;)

liebe gruesse Felix

Anonym hat gesagt…

sali talentdino

..zum x-mal verfasse ich nun einen comment. aber was intressieren dich irgendwelche scheiss floskeln?! niente.!

ich kenne dich nur flüchtig über raise.ch und über den blog.

trotzdem möchte ich dir 2-3 sachen auf den weg geben, auch wenn sie bereits erwähnt wurden:

höre auf deinen körper, nimm diese warung ernst und bring dies in ordnung. dann kümmere dich um deine mentale verfassung. nur so wirst du erfolgreich sein. dieser bereich wird von vielen pokerspielern brutal unterschätzt.

und ja, leg poker vorerst auf die seite. spiel erst wieder, wenn du wirklich lust hast und es dir spass macht. spiel nicht, nur dass gespielt ist.
nimm die hilfe von armi, KICK & Co. an, arbeite an deinen schwächen.

..dann wirst du wieder zurückkommen, stärker denn je. dafür braucht es aber ein gutes gleichgewicht mit deinem RL.
und wenn du ein anderes hobby findest dass dir spass macht, noch besser. (ich hoffe es wird nicht gerade sportwetten oder BJ sein.. :-))

Kopf hoch und good luck..!!

cheers
y_jason_y

Attila hat gesagt…

Eigentlich wurde schon das wichtigste gesagt: lass Poker ruhen und konzentrier dich auf das richtige Leben. Trenn das Wichtige vom Unwichtigen und setz Prioritäten!

Ich bin kein Psychiater und kenne auch keine Details, darum kann ich dir in einem Blog keine sinnvollen Tipps geben. Aber denk vielleicht mal daran, dass es immer Menschen gibt, denen es wirklich noch viel schlechter geht (Hunger, Krieg, Elend, die Tagesschau lässt grüssen).

Du bist noch jung und das Leben beginnt erst. Wenn du nicht mehr weiter weisst und den Wald vor lauter Bäume nicht mehr siehst, dann such das Gespräch mit jemandem. Versink nicht in Selbstmitleid und verkriech dich nicht. Rede mit jemandem, der dir neue Wege aufzeigen kann. Jemand der aussen vor steht und die Situation vor allem neutral betrachten kann. Jemand der in der gleichen Lawine steckt kann dir nicht helfen.

Ich wünsch dir viel Glück und Kraft. Wenn ich dir irgendwie als unbeteiligter Helfen kann, dann lass es mich wissen.

-- Dave
(aka Attila)

Paxinor hat gesagt…

den Fehler den du machst ist zu glauben mit Poker könne man "Erfolg" haben und sein Ego stärken. Als wäre man erfolgreich im Berufsleben. Du denkst du könntest es easy rausgrinden und definierst dich im gewissen Sinne durch den erfolg den du in Poker hast, weil das dich abhebt von den anderen.

Das Problem ist, das das einfach Gambling ist. Wenn du deine effektive Winrate ausrechnen würdest kämst du nicht über einen normalen Stundensalär eines 08/15 Schülerjobs hinaus. Der Unterschied ist die Varianz, und deswegen fühlst du dich manchmal gut und manchmal übel:

Du bist aber meiner Meinung nach völlig in Denial: Dein Downswing ist überhaupt nicht unfair, sondern part of the deal. Aus irgendeinem Grund bist du ja auch auf NL1k geswingt. Das is die andere Seite des Deals.

Du bist psychisch instabil spielst dadurch schlecht, weil dich die Resultate zu sehr emotional beinflussen (auch in den "guten" Zeiten bin ich überzogen das du overplayest, die Hände analysierst du dann einfach nicht wirklich) und hast somit eine schlechte winrate

das was dir passiert ist nicht ungerecht und nicht unfair, sondern normal für deine Winrate...

Poker ist wirklich das falsche Spiel um Selbstbewusstsein und sonstiges zu tanken, weil der Gamblingaspekt des Spiels dir alles nur vortäuscht.

Anonym hat gesagt…

Ich kenne dich nicht persönlich, aber auch ich gehöre zu den regelmässigen Bloglesern. Dein letzter Eintrag hat mich berührt und mir vor augen geführt, dass Poker eben nie alles im Leben sein kann. Obwohl ich niemals auf so einem Limit wie du gespielt habe, weiss ich, dass Poker brutal sein kann.
Zu deinen RL-Bad Beats kann ich nicht viel sagen, da ich deinen Hintergrund nicht kenne, aber auch für mich war das Jahr 2008 absolut ein sch****-Jahr, ich war unter anderem mehr als 4 Monate im Spital und habe einen guten Freund durch einen Unfall verloren.
Aber hey, das Leben geht weiter, vieleicht kennst du den Spruch:"Gestern standen wir noch vor einem Abgrund und heute sind wir einen bedeutenden Schritt weiter"
In diesem Sinne, toi toi toi, du schaffst das !